Deutschland im Winter 2010. Wir erleben wieder einmal einen Winter, der wirklich nach Winter ausschaut und sich auch so anfühlt. Auf der schwäbischen Alb liegt seit Anfang Januar eine permanent geschlossene Schneedecke. Der Wald hat sich in eine bizarre Welt aus Schnee und Reif verwandelt. Auf freien Flächen verrichtet der kalte Ostwind sein Werk und häuft den Schnee an einigen Stellen zu mächtigen Schneewehen auf. Morgens ist es lange dunkel und bereits am Nachmittag  verschwindet die Sonne schon wieder hinter dem Horizont. Schneestürme fegen über das Land, die Welt ist grau und nebelig.

Für die Meisten keine Bedingungen, bei denen man an Radfahren denken will. Mir geht es nicht so, mich zieht es hinaus in die raue und kalte Welt. Ich genieße die Fahrten durch die Glitzerwelt am frühen Morgen. Das Knirschen des Eises unter den Spikesreifen. Aber auch die Stille, die frisch gefallener Pulverschnee erzeugt, hier wird  jeder Laut  verschluckt. Die Tierspuren, oder die tägliche Begegnung mit dem Fuchs, der auf Beutesuche ist.
Und so kommt es, dass ich jetzt bereits Anfang März 1000 km auf Schnee verbuchen kann. 1000 ehrliche Kilometer auf schneebedeckten Forst-und Feldwegen und auf Trails.  1000 km Kälte, 1000 km Kampf, 1000 km Spaß, 1000 km Stille und Einsamkeit, 1000 km Abenteuer…jeden morgen, jeden Abend.

Dazu über 60 Nightrides, unzählige spaßbringende Ausfahrten mit Freunden. Da wird über Felsen gesprungen, steile und technisch anspruchsvolle Abfahrten absolviert und immer wieder das Bike zu einer interessanten Trailabfahrt hingebracht.

Aber auch mühsame Tage waren dabei: Tauwetter und Eisregen, zu hohe Schneewehen und  lange Märsche, bei denen das Bike nur geschoben und getragen werden konnte.
Und die Kälte, aber mit der lernt man um zu gehen. Moderne Sportbekleidung ermöglicht es mit 3 Lagen Stoff einen Temperaturgradienten von der Haut bis zur Außenwelt von über 50°C in nur wenigen Millimetern wirksam zu isolieren. Anständiges Schuhwerk ist Pflicht, und das heißt im Winter Bergstiefel und dicke Socken tragen. Esrtens läuft man damit besser und zweitens bleiben die  Zehen schön warm. Und zur Not gibt es immer noch eine elektrische Schuhheizung. Die Sturmhaube schützt das Gesicht vor dem kalten Wind und wenn es ganz kalt wird, dann kommt der Skihelm zum Einsatz.

Sonnenuntergang auf dem Volkmarsberg

Schnee, man sagt ja die Inuit hätten sehr viele Wörter für Schnee. Das ist auch richtig so. Die meisten Menschen unserer Zeit haben ein völlig verzerrtes Bild von dieser schönsten Form des Wassers. Sie kennen ihn nur als salzverseuchte braune matschige Masse, die auf den Straßen herum liegt. Wir Biker unterscheinen meist zwischen “gutem” Schnee und “bösem” Schnee. Der Eine macht Spaß, staubt und läßt sich gut befahren, der Andere bremst, ist matschig und stört eigentlich nur. Ich habe noch ein paar mehr Definitionen in den letzten Wochen sammeln können: “zu viel guter” Schnee, Tauwetterschnee, Firnschnee, Windverpresseter Schnee, Champagner-Powder, black ice und white ice, geilhuriger Schnee, tragfähiger Schnee, Wechtenschnee, Reifschnee, festgefahrener Schnee, Tracktorspurenschnee, eingefrorener Fußabdruck-Schnee, Pappschnee, Altschnee und Neuschnee, Tarnschnee, verräterische Spurenschnee…

Ein besonderer Reiz ist es in einen Trail die erste Spur zu legen. Es hat wieder einmal geschneit. Schöner Pulverschnee bedeckt alles. Also nichts wie raus auf die Trails. Hier gilt es schnell zu sein, schneller als die Anderen. Mühsam bahne ich mir den Weg zum Traileinstieg. Dann wird klar: der Weg ist jungfräulich, es war noch keiner hier. Ich stürze mich in die Abfahrt. Das Vorderrad schaufelt mir den Powder an die Beine. Ich kenne den Trailverlauf auswendig, weiß an welchen Stellen ich aufpassen muss, wo versteckte Löcher, Steine oder Wurzeln sind. Das Glücksgefühl ist unglaublich, ich war einmal wieder der erste. Und die Sektion wurde fehlerfrei befahren, noFoot wie der Experte zu sagen pflegt.

Ein Kollege hat mich diese Woche gefragt, ob ich auch noch etwas anders tun würde? Ja habe ich gesagt: 2 Kinder großziehen, arbeiten, Skitouren gehen, mich um diverse Freundschaften kümmern und ab und zu auch noch eine Party feiern.
Und wie geht das alles? Kein Problem. Morgens früh aufstehen und zur Arbeit fahren. Da kommt es schon einmal vor, dass mein LED-Scheinwerfer bereits um 5:30 Uhr ein Loch in die Dunkelheit brennt. Und wenn morgens langsam die Sonne aufgeht, Nebelschwaden in den Tälern liegen, der Himmel mit kitschigen Pastellfarben hellbalu und rosa gefärbt ist, dann sind das Momente, die unvergesslich und vor allem unbezahlbar sind. Und all die armen Zeitgenossen, die morgens das Eis von Ihrer Scheibe kratzen, um sich in ein kaltes Auto zu setzen, all diese Menschen können mir in diesem Moment nur Leid tun.

1000 km auf Schnee, und das seit 1. Januar 2010. Das ist die magische Zahl, die der lange Winter möglich gemacht hat. Eine Kilometerleistung, die wohl in diesem Jahr noch nicht viele verbuchen können.

Ich danke
…dem Winter, für dieses Traumwetter
…meinem Arbeitgeber für die Duschmöglichkeit
…Forstverwaltung für das Räumen der Wege
….Freunden, die fast so verrückt sind wie ich und diesen Spaß ebenfalls betreiben.
….und dem Winterpokal, der mich unheimlich motiviert hat.

Jetzt kann der Frühling kommen. Der Winter war schön. Und wenn es am schönsten ist, dann sollte man aufhören.
Wobei, die Berge, die warten noch darauf mit den Tourenski bestiegen zu werden…und dort gibt es noch viel Schnee…noch mindestes 3 Monate lang. Nix wie hin

Aber, wenn ich mir ansehe, wieviel es heute noch einmal geschneit hat. Da sind noch ein paar Kilometer mehr drin.

10 Ausreden warum man im Winter nicht Mountainbiken kann

Champagner