Nach dem gestrigen Regentag und der Erkenntnis, dass die Seilbahn in San Martino di Castrozza nicht mehr fährt, ist der erste Blick aus dem Fenster heute morgen eine freudige Überraschung: blauer Himmel, Sonnenschein, Nebel unten im Tal und Frost. Wow, die Traumtour kann beginnen!

Berge, aus denen Träume sind

Wir wollen den Pala Trail fahren, einen Trail, der wohl der feuchte Traum aller Biker sein wird, sobald sie auch nur einmal ein Bild von dieser Wahnsinnsabfahrt gesehen haben. Spitzkehren, Spitzkehren und nochmals Spitzkehren. Aber man muss ein wahrer Meister im Befahren Solcher sein, sonst hat man hier definitiv keine Spaß.
Zunächst ist Arbeit angesagt. Vor uns steht eine 600 Meter hohe beinahe senkrechte Felswand, irgendwo mitten drin die Stütze der Seilbahn…und davor auch noch 500 Höhenmeter “ausgeschilderte Mountainbikestrecke”, welche sich aber sogleich als völlig unfahrbare, grobschottrige und bis zu 40% steile Skipiste entpuppt.
Wir geben den Versuch im Sattel sitzend heute etwas zu erreichen bereits nach wenigen Metern auf. Heute ist nur Schieben und Tragen angesagt. Aber was soll´s dafür sind wir alleine unterwegs, ganz alleine. Denn dank der geschlossenen Seilbahn verirrt sich außer uns heute kein Mensch hier her. Was will man mehr?

Viellicht ein Frühstück, oder wenigstens einen Espresso. Beides gab es nämlich heute morgen in unserer Unterkunft auch nicht mehr, denn die Wirten hat gestern Abend den Ort auch verlassen und uns den Schlüssel da gelassen. An der Mittelstation der Seilbahn, wo gerade Großreinemachen angesagt ist fragen wir auch vergeblich nach einem Espresso… chiuso. Dabei bleibt´s. Auch unser Versuch das Wartungspersonal der Seilbahn zu überreden, uns bei einer der anstehen Wartungsfahrten doch noch mit nach oben zu nehmen ist erfolglos.  Also kommt es doch so, wie wir es schon einkalkuliert haben: es wird getragen, und zwar  ganz nach oben, und zwar durch die senkrechte Wand. Hier unten können wir uns das zwar noch nicht wirklich vorstellen, aber ein Wegweiser bestätigt die Angabe aus der Wanderkarte: irgendwie geht´s .

Berge pur

Und es geht wirklich, ein wunderschöner, gut begehbarer, stellenweise sogar befahrbarer Trail führt durch die breiten Schuttkegel nach oben. Schnee liegt zunächst nur vereinzelt, alles ist ein bisschen angezuckert sozusagen. Dann erblicken wir etwas unter der Seilbahnstütze in der senkrechten Wand. Ein Drahtseil, ein in den Fels gemeisselter Weg…unser Weg? Und noch etwas im Schnee, eine Spur, die Spur eines Luchses vermuten wir. Außer Ihm sind wir wohl wirklich die Einzigsten heute auf diesem Berg.

Seilbahn

Es kommt wie es kommen muss, wir müssen wirklich direkt durch die Wand. Doch die Sache ist halb so wild, wie sie von unten ausgesehen hat. Aber Schwindelfreiheit und Trittsicherheit ist hier schon erforderlich, zumal der Weg in dieser Höhe inzwischen knöcheltief eingeschneit und stellenweise vereist ist. Wir erreichen schließlich die große Stütze. Ab hier wird der Weg flacher und einfacher, dafür liegt um so mehr Schnee. Über uns schwebt die Gondel der Seilbahn vorbei. Ein Arbeiter turnt auf dem Kabinendach herum und kontrolliert die Seile, während uns sein Kollege mit dem Fernglas beobachtet.

Schließlich erreichen wir den Pass und bald darauf die gleichnamige Hütte. Hier ist gerade ein Helikopter und drei Menschen an der Hütte damit beschäftigt, den gesamten Müll der vorgestern beendeten Sommersaison ins Tal zu schaffen. Wir werden den Heli heute noch öfters sehen, denn auf einmal schafft er das alles nicht.

Wir schieben die Bikes nun ziemlich weg- und planlos durch den Schnee. Die Querung auf dem Hochplateau ist nicht ganz einfach. Zude scheint die Sonne grell und der frisch gefallene Schnee reflektiert das Licht zusätzlich. Bald sehen wir den nächsten Wegweiser und erreichen den zweiten Pass des Tages. Ab hier beginnt die Abfahrt. Während der Heli bis eben immer entlang unserer Aufstiegstrecke hin und her geflogen ist, zwingt ihn der aufziehende Nebel nun, auf unsere Abfahrtstrecke auszuweichen. So bleibt uns das Dröhnen seiner Turbinen noch eine Weile erhalten. Der Schnee auch. Die ersten 200 Höhenmeter sind heute faktisch unfahrbar, die Flachpasssagen des Trails einfach zu tief eingeschneit und in den Kehren klappt´s auch nicht wirklich.

große Felsen

Mit jedem Meter nimmt die Schneehöhe ab und der Singletrailspaß beginnt. Spitzkehre folgt auf Spitzkehre. Einige Stellen sind zu schmal und ausgesetzt zum fahren und dann erwartet uns auch noch ein kurzer Gegenanstieg. Nebelfetzen lassen die bizarren Felstürme der Pala um uns herum wie Geister immer wieder auftauchen und verschwinden. Ein eigenartiges Gefühl. Der Heli ist weg, jetzt sind wir alleine in dieser sagenhaften Bergwelt unterwegs.

Dann kommen wir um die Ecke und trauen unseren Augen kaum. Der Trail der Tails, das absolute Spitzkehrenwunder. Und in echt noch viel beeindruckender und unglaublicher als auf allen Fotos. Der Traum des Trailhunters, der heile Gral, das Eldorado oder kurz und knapp die Erfüllung!

Der heilige Gral

Wir stürzen uns hinab und werden nicht enttäuscht. Jede Kehre muss versetzt werden, die Abfahrt strengt mehr an als der Aufstieg durch Fels und Schnee, aber wer diese Fahrtechnik beherrscht wie wir, der wird hier das finden wonach er immer gesucht hat! Und jedes mal, wenn man um eine Ecke fährt das Gleich Bild: nochmals Kehren, Kehren Kehren. Die senkrechten Felswände werfen das Echo unserer Freudenschreie zurück.

Wir passieren ausgesetzte Passagen, steile Stufen, fahren durch einen Tunnel und stürzen uns wahnwitzige Sektionen hinab. Der absolute Abfahrtsrausch. Und der Trail scheint kein Ende zu nehmen, nicht einmal als wir die Waldgrenze passieren. Hier wird er einfacher, flüssiger und schneller zu fahren und endet schließlich auf einem Schotterweg. Dieser führt uns zurück in den verschlafenen Skiort, direkt in eine kleine Bar, wo wir unsre Entdeckung erst einmal mit einem kühlen Bier feiern. Prost!

Die Erklärung für die unglaubliche Anzahl von Spitzkehren: Ein deutscher Baron aus vergangenen Zeiten wollte unbedingt einen Weg zur Rosetta haben und handelte dafür eine Bezahlung pro Meter aus. Je länger desto reicher dachten sich also die Arbeiter aus San Martino und darum hat der Sentiero jetzt geschätzte fünfhundert Serpentinen und einen durchschnittliche Steigung von einem Prozent. Ganz schön clever, die Italiener 🙂

Kurven soweit das Auge reicht

Fazit: ich habe auf dem Bike echt viel gesehen und erlebt in den letzten Jahren, aber dieser Tag gehört zu den schönsten, die ich jemals erleben durfte!

Alle Bilder von der Tour.

Wir packen die Bikes nach der Tour ins Auto, kurven einige Zeit durch die Dolomiten und steuern das nächste Ziel, das nächste Abenteuer an. Der heute Tag wird nicht zu toppen sein, aber auch morgen erwartet uns eine spannende Tour in den Dolomiten…

Wanderkarte Kompass Nr. 622 Pale di San Martino 1:25000

4 Gedanken zu „Best Trail on Planet!“
  1. bin vor 2 Jahren mit meinem bikebody von da oben runter,aber nicht den von Euch beschriebenen Trail.haben uns das für diesen Sommer vorgenommen.gibt es eine Wegnr oder ähnliches ?für eine Antwort bin ich dankbar.ciao Wolfgang

  2. hallo Carsten,
    seit ihr direkt vom rifiguio den02 runter oder übers plateu den 56 später über 61 gefahren? wir wollen diese tour nächste jahr machen !
    p.s. wahnsinns tolle bilder!!!
    greets harry

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