SAM

K78, das ist der härteste, der längste und wohl auch berühmteste Alpin-Marathon. Dort laufen von Davos aus tausende von Läufern auf der unglaublichen Distanz von 78 km über Filisur, Bergün, Chants, die 2632 m hoch gelegene Keschhütte und dann über den verwegenen, aussetzten und schmalen Panoramaweg hinüber zum 2606 m hoch gelegenen Scalettapass, um danach die letzten 1100 m hinab nach Davos über teilweise widerlich verblockte Geröllfelder zu absolvieren…
Die Siegzeit auf dieser Wahnsinnsdistanz betrug dieses Jahr knapp über 6 h.
Da nicht jeder in der Lage ist diese Distanz alleine zu bewältigen, wird zusätzlich noch eine Marathon- und eine Halbmarathondistanz sowie ein Staffelrennen angeboten.
Ich habe an letzterem teilgenommen. Ich bin hier gemeinsam mit 3 Läufern vom Laufclub Aalener Spion und einem Inliner. Es geht zunächst von Davos aus mit dem Mountainbike hoch nach Monstein dann hinab nach Wiesen, nochmals den Berg hinauf um dann letztendlich in Alvenau an den Inliner Michael zu übergeben. Dieser muß dann die Alula-Paßstraße hinauf bis Bergün, wo der erste Läufer Frank auf Ihn wartet. Der muß die 1200 Höhenmeter hinauf bis zur Keschhütte sprinten. Zwei weitere Läuferinen Christine und Claudia tragen das gelbe Band dann über die Alp Funturauna, den Scalettapass und den Dürrboden zurück nach Davos. Im Stadion wird der Schlussläufer dann von einem gigantischen Publikum empfangen…
Nun zu meinem Part: Ich finde mich also um halb acht morgens im Stadion von Davos ein und suche mir einen Platz unter den Startern.
Die Wolkendecke reißt auf, ein Sonnenstrahl beleuchtet das Starterfeld, aus den Lautsprechern klingt „Conquest of Paradise“ und über uns kreist der Hubschrauber des Schweizer Fernsehens…gigantisch..
Dann der Startschuss, es geht gleich ordentlich zur Sache. Mit einem Schnitt von über 40 km/h geht es durch Davos. Ich habe auf dem Kurs, der vorrangig bergab geht mein schweres Enduro Bike dabei. Dennoch gelingt es mir an den ersten Anstiegen fast das gesamte Feld zu überholen. Die ersten Abfahrten sind schnell, auf schmalen Pfaden werden Geschwindigkeiten von weit über 40 km/h erreicht. Immer wieder geht es auch streng bergauf.
Dann der Downhill hinab zur alten Postkutschenstrecke. Lockerer Kies, tiefe Wasserrinnen enge Kehren…ich kann einige Fahrer überholen, obwohl dazu kaum Platz ist.
Ich zieh während der Fahrt die Sattelstütze wieder nach oben, 4 Fahrer kommen an mir vorbei, ich muss abreißen lassen. Ein Fehler wie sich gleich darauf herausstellen sollte. Nach der nächsten Kehre weht ein kräftiger Wind den Berg hinauf. Die 4 fahren Windschatten, keine Chance mehr heran zu kommen.
4er-Tross im Windschatten
Auf dem nächsten Trail habe ich sie wieder eingeholt, sie blockieren mich, am nächsten Berg nach dem Bahnhof Wiesen kommen sie wieder weg. Es es auf Teer hinauf, bis ein Streckenposten den Weg eine enge Treppe hinab weist. Er meint was von Absteigen, ein kurzer Griff an den Sattelschnellspanner, ohne aus dem Tritt zu kommen, Muskeln anspannen, ein kurzes inne halten, ein kräftiger Zug am Lenker, die Schlüsselstelle ist durch einen kurzen Drop gemeistert, dann geht es eine kniffelige Trailabfahrt runter, links und rechts von mir liegen gestürzte Fahrer im Gebüsch, in einer Kehre fährt mein Vordermann gerade aus, ich gehe in den Noseweehly, lasse das Hinterrad locker durch die Kurve schweben, weiter geht’s…
Es folgt ein kurzer Gegenanstieg, dann Wege über Wiesen und Almen. Ich fahre mit Tempo 50 eine Wiese hinab, unten beginnt ein Streckenposten hektisch mit den Armen zu wedeln, ich halte voll drauf, er brüllt, ich fahre weiter…weiß der was in einer Hayes HFX 9 mit 203er Scheibe steckt? Scheinbar nicht. 15 m vor dem Posten hau ich die Bremse rein, fahre souverän an ihm vorbei und weiter geht’s auf dem Singletrail…und wieder fahre ich auf die 4er Gruppe von vorher auf. Auf den letzten Metern bis zur Wechselzone geht es flach durchs Tal, ich fahre gemeinsam mit meiner 4er Gruppe weiter. Ich übergebe als 10ter der Gesamtwertung die Startnummer und das gelbe Staffelband an den Inliner…er sprintet los…

Ich bin erst mal platt, fahre gemütlich zum Campingplatz, esse etwas und packe meine Rucksack für´s nächste Unternehmen. Wenn man schon einmal hier ist, den ganzen Tag Zeit hat und das Wetter stabil ist, mumm ich die Gelegenheit nutzen. 2002 habe ich bei der Überschreitung des Sertigpasses hinunter ins Val Ravais geblickt…dieses werde ich nun versuchen hinauf zu fahren.
Ich folge der Rennstrecke der K78 Läufer die direkt am Campingplatz in Filisur vorbei führt. Kurz bevor der Weg richtig zu steigen beginnt treffe ich die ersten Läufer. Ich folge dem Pfad einige Kilometer, wechsle dann aber doch auf die Albula-Paßstraße, auf der die Inliner unterwegs sind. Kurz vor Bergün windet diese sich steil in engen Serpentinen den Berg hinauf. Zum Glück muss ich hier nicht auf 8 oder 10 Rollen hoch.
In Bergün wartet ein gigantisches Publikum auf die Athleten. Ich komme kurz vor der Damenspitze an, schieße ein paar Fotos und quetsche mich neben der Rennstrecke durch die Menschenmenge.
Weiter geht es zunächst auf Teer, später dann auf einer Schotterstraße in Richtung Chants. Ich bin vom Rennen heute morgen ziemlich platt und angesichts dessen, was ich noch vor habe lasse ich die Läufer den Berg hoch an mir vorbei ziehen. In Chants angekommen hole ich mir an einem Brunnen frisches Quellwasser. Es ist heiß, fast 30°C, und das auf knapp 2000 m. Ich biege ab ins Val Ravais und hoffe hier bis 2400m hoch fahren zu können…
Blick ins Val Ravais
Zunächst ist der Weg gut fahrbar wird aber bereits bei 2100 m steiler und einige Felspassagen erschweren das Vorankommen. Bei 2200 Metern ist heute Schluß für mich. Ich habe nicht mehr die Kraft das Bike die Steilpassagen, die Stufen die verblockten Abschnitte hinauf zu würgen. Ich fange an zu schieben, ich genieße die absolute Einsamkeit in diesem wunderschöen Tal. Ich fotografiere ein paar schottische Hochlandrinder und schleppe mich vorwärts. Irgendwann zwischen 2300 und 2400 m verspeise ich meinen letzten Müsliriegel…immer noch 350 Höhenmeter bis zu Sertigpass. Die Sonne brennt unbarmherzig, ich bin fertig, als ich das 14 Kilo schwere Bike kurz vor den Lai de Ravais, den malerisch gelegen Seen im Tal ein Stück tragen muss. Endlich erblicke ich hoch über mir den 2739 m hoch gelegenen Sertigpass. Ich stolpere wie ein Bergsteiger in der Todeszone vorwärts, die Landschaft hat sich verändert, Fels, Geröll, tundraähnlicher Bewuchs säumt den Weg, Wind kommt auf. Ich blicke auf den Pitz Kesch, der stark abgeapeterte Gletscher unterhalb des Gipfels scheint im fahlen grau…darunter die Keschhütte…hier kommen die Läufer durch…
Blick auf den Pitz Kesch
Irgendwann erreiche ich völlig erschöpft den Sertigpass, ich schieße ein paar Fotos, der Wind ist stark und kalt, von Davos her drücken Wolken den Pass hinauf. Über den Wolken, dass muß die Freiheit…
Der Blick zurück ins Val Ravais zeigt den Trail den ich hinauf gekommen bin als schmale braune Linie in den grünen Almwiesen…ein schöner Trail, aber zum hinab fahren.
Nachdem ich einen Apfel und ein Tütchen Zucker verspeist habe kommt ein Wanderer vorbei. Er macht mit meiner Kamera ein paar Fotos von mir auf der Abfahrt. Dann beginnt er der Ritt nach Davos. Zunächst über verblocktes Geröll, Passagen bis S3, meist aber auf S2 Niveau. Schöne enge Spitzkehren, Felsstufen…eine Traumabfahrt. Ich tauche ein in die dichte Wolkendecke, aber bereits nach 15 m ist der Nebel vorbei und ich befinde mich unter dem grauen Schleier. Leider ist mein konditioneller Zustand sehr angeschlagen, dass ich diese Traumabfahrt nicht in vollen Zügen genießen kann. Bei 2197 m ist Schluß mit Singletrail. Eine Schotterpiste führt ins Tal. Ich laß es laufen, dann plötzlich eine rote Linie quer zum Weg, Vollbremsung bei Tempo 40 ein Drift, Pling macht es…der Weidezaun ist durch. Gespürt habe ich ihn gar nicht…
Ab sofort fahre ich vorsichtiger, achte auf die zahlreichen Weidezäune. In Sand angekommen fahre ich auf einem Trail auf der rechten Talseite vor bis Clavadel. Ein wunderschöner Weg, der meist waagerecht am Hang entlang führt. Einige Gegenanstiege rauben mir die letzten Kräfte. Irgendwann erreiche ich Davos, ich fahre völlig benommen ins Stadion, wo gerade zahlreiche Läufer das lang ersehnt Ziel erreichen. Mein erster Gedanke ist: Cola, Essen… ich lasse das Rad fallen, taumle zu einem Stand und investiere erst mal in eine Bratwurst.
Irgendwann rapple ich mich auf, schlendere durchs Stadion, suche den Rest des Teams, als Claudia aus der Menge tritt, mich umarmt und mir die Medallie vom Swiss Alpin Masters umhängt…unsere Staffel hat den 18. Platz von insgesamt 79 Teams gemacht…
die erfolgreiche Staffel

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