Knapp sechs Wochen ist es her, da habe ich von meinem Bruder Roland eine SMS erhalten. Er hätte mit Appi zusammen das Spronser Joch mit dem Bike gemacht. Wie jetzt? Spronser Joch, wo ist das überhaupt? Und eigentlich wollten die doch das Eisjöchl fahren? Ja das Eisjöchl, das stand bei uns dieses Jahr ursprünglich auch auf dem Plan. Von Pfelders aus 1000 Höhenmeter hoch schieben und drüben ins Passeiertal 2400 Meter abfahren, das meiste davon allerdings auch auf Schotter und unten gar auf der Straße. Und 3 Mal war ich auch schon oben auf diesem bekannten und beliebten Pass. Ein kurzer Blick auf die Karte genügte mir, dann war klar: Das Spronser Joch, das Missing Link auf dieser Tour. Der direkte Weg von Pfelders nach Meran, ohne langweilige Schotterabfahrt, weniger hoch schieben und die Gewissheit einen technisch anspruchsvollen Trail vor unvergleichbar schöner Bergkulisse befahren zu können. Was ist eigentlich das Eisjöchl?

Also starten wir nach einem leckeren und reichhaltigen Frühstück heute, um biketechnisch Neuland zu befahren. Wie so oft in den letzten Tagen ist im Tal unten noch Schatten, dafür verspricht der blaue Himmel über uns abermals einen fantastischen Tag in den Bergen. Bis zur Lazinser Alm auf 1860 Metern folgen wir der klassischen Route in Richtung Eisjöchl. Dann biegen wir ab nach links ins Lazinser Tal und folgen einem Almweg entlang des Tschingelsbach bis zur Bockhüttalm. Bis hierher ist der Weg sogar fast komplett fahrbar. Die kleine Almhütte ist einzigartig an einen Felsen dran gebaut…so hat man sich gleich das Baumaterial für das halbe Dach gespart.

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Ab hier geht es steil nach oben, ganz steil. Die 260 Höhenmeter hinauf zur Zil-Schafhütte werden quasi am Stück auf einer aus Natursteinen gebauten Treppe überwunden. Danach ändert sich das Bild der Landschaft, das Grün weicht einer bizarren Szenerie aus glimmerhaltigem Fels. Das schräge Morgenlicht und der reflektierende Fels versetzen uns in eine andere Welt. Wir fühlen uns, als würden wir einen fremden Planeten besuchen. Kurz vor dem Spronser Joch wird das Gelände flacher und wir können die Bikes wieder bequem hinauf schieben. Schließlich erreichen wir nach nur 2 Stunden Aufstieg den 2581 Meter hoch gelegenen Pass. Einige Wanderer sind erstaunt uns hier oben zu treffen und wollen gar nicht glauben, dass wir vorhaben in Richtung Meran abzufahren.

Wir wechseln mit Leuten, die gerade von Süden her aufgestiegen sind, ein paar Worte. Kein Geröll, dafür viel Treppen. Und sie halten den Weg für völlig unfahrbar. Schauen wir mal, das glauben wir nicht.

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Kurz nach dem Pass fordert eine steile Treppenpassage gleich die volle Konzentration. Beim zweiten Versuch gelingt es mir, die Sektion zu befahren. Weiter geht es auf einem gut fahrbaren Trail , bis wir an ein Steilstück kommen. OK, hier siegt die Vernunft, ich bezweifle mal, dass es jemandem gelingen wird diese mit Holzbalken ausgebaute Stelle auf dem Bike sitzend zu bewältigen. Also schieben wir die Bikes knapp 10 Meter nach unten.

Wir passieren den ersten See. Malerisch liegt dieser zwischen den steilen Felswänden, putziges Wollgras säumt das Ufer. Nach ein paar Metern Gegenanstieg sehen wir die andern Seen, 4 Stück an der Zahl. Der Trail hinab zu diesen ist extrem schwer zu fahren, volle Konzentration ist gefordert. Felsen werden überfahren, Treppen sind zu meistern. Und immer wieder diese Wasserrinnen. Immer am Ende einer Kurve. Das bedeutet für uns Hinterrad versetzen, so dass man die senkrecht stehenden Felsplatten im 90° Winkel anfahren kann. Dann muss das Vorderrad entlastet werden, damit dieses über die Platte kommt. Dann ist da noch das Hinterrad, entlastet man dieses nicht auf der Stelle, ist an der Steinplatte ein „Batschen“, wie der Tiroler sagt, fällig. Nach einigen Kehren haben wir dieses Programm verinnerlicht, es läuft. Wir haben Spaß. Es gelingt mir sogar an einigen Stellen bewusst das Vorderrad zu versetzen, was in dem teilweise sehr steilem Gelände aber unglaublich viel Kraft kostet.

Wir passieren eine interessante Slickrockpassage, meistern steile Felstreppen und unzählige enge Spitzkehren mit besagten Wasserrinnen. An einem der Seen rasten wir kurz, sammeln neue Kräfte und fahren dann weiter ab zur Oberkaser Hütte. Der Trail dorthin ist gepflastert, was aber keineswegs bedeutet, dass er dadurch fahrtechnisch auch nur ein bisschen einfacher wird. Hier passieren wir die zweite, für uns wirklich unfahrbare Stelle. Eine Steintreppe, steil und verzwickt, irgendwie am Abgrund und einfach zu gefährlich. Auch hier siegt die Vernunft, das Bike wird ein paar wenige Meter geschoben. Dann ist die Hütte in Sicht. Zahlreiche Fußgänger sind nun auf den Trail unterwegs. Sie beobachten uns, staunen darüber uns hier fahrend zu sehen. Wir ernten Lob und Anerkennung.

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An der Hütte ist es Zeit für eine Pause und eine Stärkung. Das Frühstück ist längst verdaut und der Tag ist noch lang. Alleine hinab ins Dorf Tirol erwarten uns noch über 1500 Meter Downhill. Also wieder Speckknödelsuppe. Danach wollen wir uns rechts halten, am Hang entlang fahren. Wir glauben auf dem Weg Nummer 25 richtig zu sein, also nehmen wir den Abzweig am See Kaser Lake. Das Navi mit dem geklickten Track steckt im Rucksack, ein Kontrollblick bleibt aus. Bis wir uns recht versehen, befinden wir uns auf dem Jägersteig. Und dieser führt am Hang entlang immer wieder auf- uns abwärts. Umkehren? Kommt nicht in Frage, so schlimm wird´s ja nicht werden. Also weiter. Die abwärts führenden Passagen sind steil und fast immer mit Treppen versehen. Inzwischen haben wir heute bestimmt schon 5000 Stufen befahren, es werden aber noch einige dazu kommen, ist zu befürchten. Und immer wieder müssen wir die Bikes bergauf schieben oder tragen. Frische Spuren von Bauarbeiten auf dem Weg zeugen davon, dass die ganzen schönen Treppen gerade erst errichtet bzw. frisch überholt worden sind.

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Dann treffen wir den Bautrupp. Die Arbeiter schütteln den Kopf, als sie uns mit den Bikes hier oben sehen. Nach dem Treffen verschlechtert sich der Wegzustand nochmals. Der Trail ist steil und ausgesetzt. Wir sind schließlich froh endlich auf einen Abzweig zu treffen, der uns zur Bergstation des Mutkopf-Liftes führt. Fast zwei Stunden hat uns der Trail gekostet. Und auf der andern Talseite verläuft gut sichtbar und sicherlich wesentlich einfacher und schneller zu befahren der direkte Weg ins Dorf Tirol. Egal, wir haben Zeit, das Panorama ist klasse, das Wetter ist gut und wir haben Spaß.
Hier ein Video von den Treppen:


Ab jetzt wird es einfacher, wir können flüssig abfahren. Der Trail bleibt zwar anspruchsvoll und die Zahl der Fußgänger auf dem Weg nimmt stetig zu, aber dafür kommen wir voran. An der Bergstation des Hochmuth-Liftes angekommen die Entscheidung. Unsere geplante Route auf dem Vellauer Felsenweg führt wieder bergauf. Wir sind auf dem Meraner Höhenweg gelandet. Und hier gilt ein Bikeverbot. Zudem ist es heute Nachmittag doch schon spät geworden. Was bleibt ist die Abfahrt ins Dorf Tirol. Nach wenigen Metern auf Schotter zweigt jedoch schon wieder ein Trail ab.

Volltreffer. Was wir jetzt auf den folgenden 1000 Höhenmetern Downhill in den Wäldern über Meran vorfinden ist unglaublich. Derart flowige Trails haben wir selten befahren können. Ein absolutes Highlight. Vergessen ist die Schinderei auf dem Jägersteig. Wir haben wieder einmal den „Holy Trail“ entdeckt. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht erreichen wir das Dorf Tirol. Noch ein paar Trails durch Apfelplantagen und kleine Wälder, dann sind wir ganz unten im Tal.

Hier ist es heiß, 32°C zeigt der Tacho, und schwül. Zu Trinken haben wir schon lange nichts mehr in den Flaschen. Wir fahren auf Nebenstraßen über Allgund noch bis nach Töll. Noch einmal 250 Höhenmeter bergauf, den erhofften Brunnen am Wegrand suchen wir vergeblich. Schließlich halten wir an einem Hotel an und füllen unsere Flaschen dort auf. Auf dem Radweg erreichen wir in wenigen Minuten die Seilbahn vom Bahnhof Rabland hinauf nach Aschbach. Die nächsten 850 Höhenmeter Auffahrt werden zu den leichtesten der Tour. Und für 8,- EUR pro Person inkl. Bike erspart man sich die langweilige Fahrerei auf dem Schotterweg im Wald doch gerne.

Im Aschbacher Hof gönnen wir uns noch einen leckeren Strudel und eine Tasse Kaffee. Zudem erfahren wir dort, dass man oben auf dem Vigiljoch im Gasthaus Jocher übernachten kann. Wir reservieren telefonisch die Übernachtung und bewältigen im Abendlicht die 450 Höhenmeter Auffahrt zum Vigiljoch. Hier oben hat man einen fantastischen Blick rüber in die Dolomiten. Das Tageslicht reicht gerade noch aus auf der Terrasse ein paar Bier zu trinken und einige “Batschen” zu reparieren. Das Abendessen danach ist gut und reichhaltig. Ein absurdes Gebräu von Enzianschnapps aus einem Glasgefäß hinter der Theke versetzt uns nach diesem unglaublichen Tag in einen seeligen Schlaf.

weiter zu Tag 6

Fotos:

von Tag 5

Strecke:

Pfelders
Lazinser Alm
Spronser Joch
Dorf Tirol
Allgund
Bahnhof Rabland
Aschbach
Vigil Joch

Unterkunft:

Gasthof JOCHER
Pawigl 16
39011 Lana · Südtirol · Italien
Tel und Fax · +39 0473 556008
E-mail · info@jocher.it
www.jocher.it

Statistik:

Unterwegs: 10 h
Fahrzeit: 4:25 h
Höhenmeter hoch: 2388 m
Höhenmeter hoch getragen: 600 m
Höhenmeter Seilbahn: 850 m
Höhenmeter runter: 2235 m
Kilometer lt. Tacho: 38,5 km
Kilometer ges: 40 km

GPS-Tracks:

kostenlos
Spronser Joch und Vigiljoch

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